Darf ich vorstellen: Victoria. Ich nenne sie Vicky. Sie ist eine Frosch. Eine kleine Frosch. Aus dem V-Wurf in diesem Herbst. Leider hört sie so gut wie nie, wenn ich rufe.

In unserer Familie war das Männliche, mit drei Männern, stets überrepräsentiert. Nicht, dass mich das gestört hat – nur manchmal überfiel mich die Sehnsucht, nach einem weiblichen Gekicher, einer Geste und dem wortlosen Einvernehmen, zwischen Frau zu Frau. Inzwischen sind die Jungs aus dem Haus, die Katze hat den Hund ersetzt, und so haben wir endlich eine weibliche Dominanz im Haus.
In unserem Garten ist das ausgeglichen. Denke ich zumindest. Da haben wir zum einen, unzählige Frösche, die besonders in den warmen Sommermonaten, vital und präsent sind. Der Artikel gibt hier klar den männlichen Status vor. Eindeutig heißt es der Frosch, nicht „die Frosch“und schon gar nicht „die Fröschin“. Es werden immer nur Froschkönige geküsst, „sei kein Frosch“, sagt niemand zu seiner Frau und auch die Schenkel, auf unserem Teller, falls überhaupt, wollen wir uns nicht als Frauenschenkel vorstellen. Heiße Luft in eine Schallblase gepresst, großes Imponiergehabe und ständig auf der Jagd, beschreibt unmissverständlich ihn, „den Frosch“.
Diese männliche Schwemme in unserem Garten, wird durch die Schnecke zu Wasser und zu Land wett gemacht. Die Schnecke gibt eindeutig vor, dass sie nicht zur Beschimpfung eines verlangsamten, männlichen Landbewohners taugt und auch nicht, in der süßen Variante von Zuckerschnecke, als Kosenamen zum Einsatz kommt. Die Schnecke ist eindeutig weiblich. Sie zeigt sich entweder nackt oder eng mit ihrer Immobilie verhaftet, wobei meine Sympathie eindeutig der letzteren Gattung gehört. Sie frisst begeistert Grün aller Art, das was uns lieb ist und im Wasser das, was niemand mehr will. Ihre größte Schwäche, liegt in ihrer zurückhaltenden, leisen Art, beim Überqueren von Gehwegen und Terrassen, so dass nicht jeder meiner Schritt daneben geht und mir beim knackenden Geräusch vor Erschrecken, ein „Oh sorry, tut mir leid“ über die Lippen kommt. Ich meine es ernst – in dem Fall, lässt sich tatsächlich nichts reparieren oder kitten.
Und die anderen Lebewesen? Teilen sich brav auf. Die Assel und der Lurch, die Ameise und der Regenwurm, die Raupe und der Grünspecht, die Libelle und der Rückenschwimmer und letztendlich die Geschlechtslosen, stellvertretend hier, das Rotkehlchen und das Pfauenauge.
Verwirrend wird es bei den unbeweglichen Lebewesen. Nehmen wir zum Beispiel unseren neugepflanzten Youngster, den Lederhülsenbaum. Er steht zwischen einer Robinie und einer gemeinen Hasel. Oder heißt es einem Haselstrauch? Und heißt der Lederhülsenbaum nicht eigentlich Gleditschie und ist die nicht weiblich? Gleditschie und Lederhülsenbaum, weiblich und männlich, vermischte Geschlechter, wie bei den Schnecken. So viel zur Gendersachlage unserer Bäume. Bei der Robinie wiederum, haben wir es tatsächlich mit einer Scheinakazie zu tun. Robinie, Scheinakazie, mit dem weiblichen Artikel, also doppelt weiblich und trotzdem wieder aufgelöst, wenn sie als Schotendorn oder Silberregen bezeichnet wird, jetzt mit männlichem Artikel. Wer hat sich das eigentlich mal ausgedacht? Und wie soll sich das merken, wer nicht in diese Sprache geboren wurde?
Der Fliederbusch, der Lebensbaum, der Schneeflockenbaum… alles mit Baum oder Busch hinten dran ist männlich, damit wurden viele Gehölze festgelegt, ohne ihr Vorderteil zu berücksichtigen. Das ist schade. Zum Ausgleich breiten sich in unserer Erde die Tulpen, die Glocken, die Rosen, die Lilien und die Hyazinthen aus. Welch Glück. Somit ist die Geschlechter-Ordnung wiederhergestellt.
Wozu es sächliche Pflanzen gibt, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Andererseits werden diese Pflanzen wenigstens nicht festgelegt. Ob sie das schätzen? Fehlanzeige. Stimmt gar nicht. Von wegen sächlich. Das Radieschen auf meinem Teller, stellt sich bei näherer Betrachtung, als ein Radieschen da. Und da liegt es (er) also, und verströmt sein maskulines Ambiente. Dabei klänge eine Radieschen viel liebevoller, nicht so scharf und erdig, eher rund, rot und ein wenig französisch. Da verändert sich sofort mein Gefühl. Ich werde fast sentimental bei…eine kleine Radieschen…
Aber das, ist der deutschen Sprache, reichlich egal.
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